„Das Kind in Ehrfurcht aufnehmen, in Liebe erziehen und in Freiheit entlassen.“
(Rudolf Steiner)
Pädagogische Grundlagen
Die Waldorfpädagogik wurde am Ende des 19. Jahrhunderts von Rudolf Steiner (1861-1925) begründet und ist eng mit den reformpädagogischen Ansätzen dieser Zeit verbunden. Grundlage dieser Pädagogik ist das anthroposophische Menschenbild Rudolf Steiners.
Essenziell ist dabei die gleichmäßige Schulung von „Kopf, Herz und Hand“ durch „Denken, Fühlen und Wollen“, einem der Grundsätze der Waldorfpädagogik.
Die künstlerischen-kreativen, aber auch handwerklich-praktischen Inhalte haben demnach einen hohen Stellenwert in der Waldorfpädagogik, im Kindergarten, wie auch in der Schule. Sie fördern Gedächtnis- und Phantasiekräfte, die bei einer zu frühen einseitigen Konzentration auf die kognitiven Fähigkeiten nicht voll entwickelt werden können.
Direkt nach dem ersten Weltkrieg erhielt Rudolf Steiner die Chance, seine Pädagogik auch in die Praxis umzusetzen – am 7. September 1919 wurde die erste Waldorfschule gegründet, der Rudolf Steiner bis zu seinem Tode 1925 angehörte. In dieser Zeit wurden die Lehrpläne der Waldorfschule entwickelt und die ersten Lehrer ausgebildet.
Mit der ersten Waldorfschule wurde auch zum ersten Mal das Prinzip sozialer Gerechtigkeit im Bildungswesen verwirklicht. Unabhängig von sozialer Herkunft, Begabung und späterem Beruf erhalten junge Menschen eine gemeinsame Bildung. Als erste Gesamtschule haben die Waldorfschulen das mit dem dreigliedrigen Schulsystem verbundene Prinzip der Auslese durch eine Pädagogik der Förderung ersetzt.
Als Rudolf Steiner 1925 starb, gab es zwar Überlegungen für die Umsetzung der Waldorfpädagogik auch im Vorschulalter, aber noch keine Kindergärten. Der erste Kindergarten wurde an der Stuttgarter Waldorfschule zu Ostern 1926 von Elisabeth von Grunelius und Herbert Hahn gegründet.
Rudolf Steiner untersuchte die Umstände der menschlichen Entwicklung und fand, dass sie nicht kontinuierlich vorangeht, sondern in verschiedenen Lebensabschnitten, in annähernd 7-Jahres-Schritten verläuft. Er erkannte auch, dass eine gesunde motorische und sensorische Entwicklung im Kindesalter die Voraussetzung für die Denkkräfte des Jugendlichen und Erwachsenen bildet.
Entsprechend dieser Einteilung in Jahrsiebte erfordert die Erziehung der Kinder unterschiedliche pädagogische Vorgehensweisen. Von der Geburt bis zum Zahnwechsel lernt das Kind durch „Vorbild und Nachahmung“. Das zweite Jahrsiebt, Zahnwechsel bis Pubertät, ist geprägt vom Prinzip der „Nachfolge und Autorität“. Im dritten Jahrsiebt werden schließlich die Urteilskraft und der freie Verstand entfaltet.
Erstes Lebensjahrsiebt:
Die ersten 7 Jahre (0 bis 7) dienen dem Aufbau und dem Wachstum des Körpers. Das Kind formt seine Leibeskräfte, indem es unermüdlich nachahmt, was in seiner Umgebung vor sich geht. So werden Gehen, Sprechen und Denken und überhaupt alle fein- und grobmotorischen Bewegungsabläufe gelernt. Wichtigstes pädagogisches Prinzip für dieses Lebensalter ist, dass das Kind in seiner Lebensumwelt gesunde Möglichkeiten der Nachahmung vorfinden muss.
Im Waldorfkindergarten reagieren die Erzieher auf diese Lebensphase des Kindes dadurch, dass sie möglichst naturnahe, reine Sinnesempfindungen und klare, einfache Bewegungsabläufe ermöglichen. Bewegung und Spielen, aber auch das Märchenerzählen, Singen und Malen spielen eine große Rolle.
Zweites Lebensjahrsiebt:
In den nächsten 7 Jahren (7 bis 14) kommt das Kind mehr und mehr dazu, das bisher äußerlich Begriffene sich innerlich vorstellen zu können – es bildet sich ein gewisses Vorstellungs- und Gefühlsleben heran.
Das Kind braucht in dieser Entwicklungsphase eine Orientierung für sein noch unausgeglichenes, werdendes Inneres. So betont die Waldorfpädagogik hier die große Bedeutung der „natürlichen Autorität“: Das Kind sucht im Erwachsenen denjenigen, der weiß, was richtig und was falsch ist.
Kommt das Kind in die Schule, bietet der Lehrer durch rhythmisches Sprechen, Reime, Reigen und Lieder Orientierungsmöglichkeiten für die weitere Entwicklung.
Die Grundrechenarten, Schreiben und Lesen werden auf eine bildhafte Weise gelernt. Nach und nach kommen auch Sachkundefächer hinzu.
Kennzeichnend für die ersten Schuljahre ist, dass die Kinder in dieser ganzen Zeit von einem Klassenlehrer betreut werden, der sie in diesen Fächern unterrichtet. Dies geschieht täglich im zweistündigen sogenannten Hauptunterricht.
Drittes Lebensjahrsiebt:
Im Alter von 14 bis 21 Jahren schließlich muss der junge Mensch dazu kommen, sich selbst und die Welt kennenzulernen, zu beurteilen und sein Denken so einzusetzen, dass es ihn in die Eigenverantwortlichkeit und damit auch in die Freiheit führen kann. Indem sich Verstand, Kreativität und Sozialverhalten gleichgewichtig entwickeln können, rundet sich der Schüler zur Persönlichkeit.