Ich hatte gar nicht speziell nach einer Waldorfschule gesucht, als ich im Sommer 2019 auf die Michaeli Schule Köln wechselte. Es war mehr darum gegangen, überhaupt eine Schule zu finden, die zu mir passte. Zuvor hatte ich ein staatliches Gymnasium besucht, von dem ich mich – milde gesagt – einfach verraten gefühlt hatte. Ende 2017 hatte ich die Schule aus gesundheitlichen Gründen vier Monate nicht besuchen können und nach meiner Rückkehr war alles anders. Wirklich wohlgefühlt hatte ich mich auch schon vor meiner Abwesenheit nicht, ein Stück weit hatte ich tatsächlich auch gedacht, das wäre normal. Wer ging schon gern zur Schule? So war das eben…
Weder die Schulleitung noch die meisten Lehrerinnen und Lehrer befassten sich damit, was man mit einer Jugendlichen macht, der fast ein halbes Jahr Schulstoff fehlt. Zwar gab es eine tolle Lehrerin, die sich für mich einsetzte, aber das reichte leider nicht aus, um das Desinteresse und die generelle Unfreundlichkeit, die ich an dieser Schule erlebte, auszugleichen. Im ständigen Kampf mit meinen Lehrerinnen und Lehrern und dem nicht aufgeholten Schulstoff verging ein Jahr, in dem ich eigentlich öfter zu Hause als in der Schule saß. Alles in allem war meine Beziehung zur Schule also schlecht.
Während dieser Zeit entwickelte sich auch meine Skepsis, was das staatliche Schulsystem betraf. Ich wusste, dass es keinen Sinn hatte, auf ein anderes Gymnasium zu wechseln, blieben doch die Lehrmethodik und die Haltung der Lehrkräfte gleich. Außerdem hatte ich auch nicht den Mut, die derzeitige Schule zu verlassen, denn da war einerseits die Angst vor einem solchen Neuanfang und neuen Menschen und andererseits mein Trotz. Ich wollte mich nicht von irgendwelchen unfreundlichen Lehrkräften zwingen lassen zu lernen; ich wollte nicht, dass man mir Druck machte. Ich stand mit dem ganzen Format „Schule“ auf Kriegsfuß. Und so suchte meine Mutter verzweifelt nach einer Lösung, einer Alternative, die für mich in Frage kam. Sie fand: die Michaeli Schule. Von dem Konzept der Waldorf-Schulen war sie ohnehin schon recht lange angetan gewesen und so nahm sie Kontakt auf.
Ein Quereinstieg in der Oberstufe ist relativ selten. Trotzdem lud man mich zu einem Vorstellungsgespräch ein und versicherte mir, dass man mich, falls die Schulleitung zustimme, gerne aufnehmen würde. So kam es dann auch. Kurz nach den Sommerferien begann ich meine Probewoche. Was mir direkt gefiel, war, dass die Schule relativ klein ist. Auch das Format des Epochen-Lernens interessierte mich sehr und ich merkte recht schnell, dass diese Form des Lernens gut zu mir passt. Ich habe das Gefühl, mich viel mehr in die Tiefen eines Themas begeben zu können, wenn ich mich jeden Tag damit beschäftige. In meinem Kopf bleibt wesentlich mehr des Gelernten hängen. Natürlich gibt es Epochen, die einen mehr oder weniger interessieren, je nachdem welche Fächer man vorzieht. Ich möchte aber betonen, dass ich eigentlich jeden Unterricht als so ansprechend empfinde, dass ich gar keine Fächer mehr benennen kann, die ich nicht mag. Der Unterricht ist generell viel freier, es ist immer genug Zeit, um sich mit aufkommenden Fragen zu beschäftigen.
Was mir an meiner alten Schule immer gefehlt hat und was für mich das Wichtigste überhaupt ist, ist ein Gefühl von Sicherheit. Ich habe an der Waldorfschule nicht das Gefühl, dass jederzeit jemand um die Ecke schießen kann, der mir verkündet: „Es ist vorbei. Du hast diese Klassenarbeit verhauen. Du wirst in deinem Leben scheitern.“ Es ist nicht schlimm, wenn eine Arbeit mal nicht so gut läuft, denn meine Lehrerinnen und Lehrer nehmen mich wahr. Sie wissen – auch schon nach so kurzer Zeit – was ich gut kann, wofür ich mich interessiere, was ich noch lernen muss. Der einzige Druck, den ich spüre, ist der, den ich mir selbst mache.
Toll finde ich auch, dass im Kunstunterricht neben dem Zeichnen so viele unterschiedliche Techniken behandelt werden. Es werden Steine behauen, Körbe geflochten und Tonfiguren geformt. Kunst ist hier nicht nur ein Fach, mit dem man schlechte Noten ausgleichen kann und bei dem nur Schülerinnen und Schüler gefördert werden, die sich ohnehin sehr für Kunst interessieren. Dass mir Eurythmie gut gefällt, hatte ich von Anfang an erwartet. Für mich ist es sinnvoll genutzte Erholungszeit. Eine Mischung aus Tanzen, Yoga, Kunst und Musikunterricht. Der Wechsel auf eine Waldorfschule war für mich einfach die richtige Entscheidung!
PH